Interview mit dem Chefdramaturgen Michael von zur Mühlen über die TOSCA-Inszenierung bei RadioCorax.
Hier geht es zum Video-Trailer auf YouTube.
(...) Die Dynamik einer außergewöhnlichen Inszenierung führt von der Opulenz des schönen Scheins in die berührende Kraft der Einsamkeit des Seins. (...) Es ist konsequent, dass im dritten Akt die Bühne gnadenlos leer ist. (...) Die Diva hat ihre Verkleidungen abgelegt, sie ist allein, der Gesang ihres einsamen Herzens mit den berührenden Tönen einer geschundenen Seele erfüllt den Raum, an dessen Funktionen nur noch eine abgestellte Kiste mit nutzlosen Requisiten erinnert. (...) - alles entspringt der Fantasie dieser in ihrer Einsamkeit so starken Frau. Jetzt sind es die Töne der Wahrheit, und es kommt der alte Brecht ins Gedächtnis: „Glotzt nicht so romantisch“. (...) Eine im besten Sinne denkwürdige Inszenierung, deren Langzeitwirkung schon wegen ihrer konstruktiven Widersprüchlichkeit außer Frage steht.
OPERGLAS, 2/2017
(...) Eine Großleistung von Personenführung und Darstellung ist das, preiswürdig für Biganzoli und für Lichtenstein. So durchdacht und spannend und überraschend umgesetzt die Kunst-Religions-Attitüde des ersten und die sexuell aufgeladene Staatskunst-Exekution im zweiten Akt auch war, so ist der Regisseur im Schlussakt zum Kern der Unsterblichkeit aller gesungenen und gespielten Bühnen-Gaukelei vorgestoßen. Es sind die Sänger-Darsteller, die sich für die Augen und Seelen der Zuschauer verausgaben - für ein paar Stunden besseren Menschseins. (...)
NEUES DEUTSCHLAND, 29.11.2016
(...) Ich finde es immer spannend, wenn Geschichten neu erzählt werden, wenn mir eine andere Lesart präsentiert wird und ich mit einer unbequemen Darstellung konfrontiert werde. Ich kann die Aufregung einiger Zuschauer verstehen, die sich um den Genuss ihrer bekannten Tosca betrogen fühlen und die zahlreichen Eingriffe und Umdeutungen als ungerechtfertigt empfinden. Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass die Interpretation von Jochen Biganzoli in sich schlüssig ist. Vielleicht steckt nicht alles von dem, was er erzählen möchte, in der Vorlage von Puccini, aber die Art und Weise wie er den einzelnen Situationen und Wörtern neue Bedeutungen zuschreibt, zeigt ein Konzept, das bis in die letzte Konsequenz durchdacht wurde. So bleibt zu hoffen, dass auch die kritischen Zuschauer der Oper Halle abenteuerlustig bleiben und sich weiterhin aufwühlen lassen – auch wenn es mal unbequem ist. (...)
THEATERNOMADIN, 28.11.2016
(...) Auf einen Wink dieser künftigen Diva hin, heben die drei Buchstaben Richtung Schnürboden ab, verschwindet die Bühne. Romelia kann den Bühnenarbeitern gerade noch einen Pappkarton mit Utensilien entreißen, um bei ihrer Flucht in den Trotz des Wahnsinns, sich wenigstens noch als Braut und Bräutigam zu kostümieren. Doch sie bleibt allein und verzweifelt auf leerer Bühne zurück. Das ist in seiner Reduktion ein ergreifendes Schlussbild einer starken Inszenierung. Dass sie auch viel Stoff für Diskussionen bietet, ist kein Nachteil. (...)
NMZ, 28.11.2016